Georg Esser über …
… Maler, Kunst und Künstler.
Ich bin nur Maler, ich will gar kein Künstler sein. Der einzige Künstler, den ich gekannt habe, der hieß Caspers. Er war unser Aktmodell. Der konnte im Handstand das Treppengeländer runterlaufen. Das war ein richtiger Künstler.
Wie Manet sagte, ein gut gemalter Spargel ist besser
als eine schlecht gemalte Madonna.
Kunst ist zu 90 Prozent Handwerk. Das Kunstwerk ist nicht nur ein Machwerk,
das ist auch ein Nehmen und Empfangen.
Kunst hat was mit sinnlicher Wahrnehmung zu tun
und nicht mit intellektueller Wahrnehmung.
Zuerst ist mal das Bild da und nicht das Geschwätz. Es gibt keine Kunst in dem Sinne, gibt’s ja nicht mehr. Wenn Kunst ihren metaphysischen Grund verliert, wird sie zum Machwerk.
Das Wichtigste beim Malen ist das Trocknen lassen. Kunst ist zu 90 Prozent Handwerk.
Man kann alles machen. Und jeder macht was, und letzten Endes kann man sich selbst hinstellen und sagen: „Ich bin Kunst!“ Ich kann mich blau anstreichen und auf den Neumarkt stellen und sagen „Ich bin ein Kunstwerk“ und keiner widerspricht.
… Maßstäbe.
Ich hatte mal einen Keramikkurs und habe gefragt: „Haben Sie eigentlich schon einmal eine griechische Vase gesehen?“ Und die Antwort war: „Nein.“. Da sagte ich: „Jetzt gucken Sie sich mal Ihre Töpfe an, was Sie da fabrizieren und dann eine solche Vase. Den Unterschied. Und das sind Maßstäbe. Wenn Sie sich daran orientieren, dann sitzen Sie nicht nur 10 Minuten an einer Vase und knitschen da was zusammen. Dann brauchen Sie Jahre.“
10.000 Maler malen einen Apfel, aber nur einer ist gut. Der von Cézanne.
Aber warum? Diese Frage muss man sich vorlegen.
… die Natur und das Staunen.
Die Natur ist etwas, was man bewundern muss! Das wird nicht gerupft wie eine Gans, das wird nicht als Zweck missbraucht und darf nicht missbraucht werden für irgendwelche Zwecke, sondern wir stehen staunend davor.
Guck dir Kinderaugen an, wenn die in die Welt treten, mit welchem Erstaunen die alles wahrnehmen. Und wer das verliert, der hat sich verloren, der hat alles verloren. Und da kann man wieder hin zurück. Rückkehr heißt, dass man mit Ehrfurcht vor der Natur und vor der Schöpfung steht und dass man auch versucht, das darzustellen und wieder zu finden. Dass man das Leben plötzlich entdeckt und dass man in der Schöpfung plötzlich das Leben sieht und findet und versucht es hervorzubringen.
Meine Meinung war ja immer, das Leben ist verborgen in der Wirklichkeit. Wir können das Leben wahrnehmen in Werken, wir können es auch sichtbar machen in Werken der Erkenntnis, der Gerechtigkeit und der Schönheit. Damit bin ich befasst, mit der Schönheit, und ich versuche, das Leben sichtbar zu machen. Und diese ursprünglichen Dinge, diese aggressiven Darstellungen (z. B. Aktbilder), die gefallen mir heute nicht mehr.
… Graffiti.
Manchmal sind sie sehr störend. Manchmal sind sie aber auch sehr schön. Aber es geht ja grundsätzlich darum, dass sich da etwas ausdrückt, das da irgendwas gemacht wird, etwas ausgeglichen, werden soll. […]. Diese Eisenträger – watt soll datt? Die haben zwar eine Funktion, sind auch sehr nützlich, aber sie sind eben so belanglos und hässlich.
Da macht sich ja was bemerkbar, der Hunger der Seele, der drückt sich da aus.
Das sind verhungerte Seelen, die sich denn da artikulieren wollen.
… die virtuelle Welt.
Ich nenne das optische und akustische Umweltverschmutzung, die da in riesigem Ausmaß stattfindet. Insgesamt die sensuelle Umweltverschmutzung, die ist ja riesig. Wir werden mit Tönen, mit Bildern überflutet.
… Trivialität.
Wir haben diese drei Dinge, das Profane, das Säkulare und das relative Sein. Das ist unsere Kultur. Davon wird unser Sein heute, unser Denken weitgehend geprägt. Deswegen haben wir keine Kunst, keine Musik, wir haben ja keine Literatur. Das ist ja alles im Eimer.
Ich denke, dass der Kunstbegriff völlig ruiniert ist, dass man den praktisch gar nicht mehr anwenden kann, ohne sich unmöglich oder lächerlich zu machen.
… die Unzerstörbarkeit des Lebens.
… wir {können} zum Beispiel nicht sagen: „Wir haben ihm das Leben genommen!“, oder: „jemanden ums Leben bringen“. Das ist alles dummes Zeug. Das können wir gar nicht. Wir können das Dasein eines Menschen beenden. Wir können Formen zerstören. Wir können die Formen zerstören, die das Leben sich gibt. Denk an die Abtreiberei. Da wird die Form, die das Leben sich geben will, von uns angegriffen und zerstört.
… die Fauvisten.
Die Fauvisten, die versuchen es über die Farbe. Das ist nicht immer glücklich. Manchmal geht es auch furchtbar daneben.
… den Expressionismus.
Ich glaube, man soll hier vorsichtig sein mit Intellektualität und auch Emotionalität. Das spielt eine viel geringere Rolle bei diesen Bildern, als man meint. Da ist viel mehr das sinnliche Erlebnis der Farbe und der Struktur, der Gegensätze, der Kontraste. Es kommt ja nicht umsonst, dass die den Himmel dann Grün malen, dass die – wenn die in die Farbe gehen – dann der Natur ihr sehr subjektives Farbempfinden entgegenstellen, aber die Natur wird nie ganz verlassen. Das machen sie nicht. Sie versuchen immer die Bindung an die Natur zu halten. Das ist wichtig.
… den erweiterten Kunstbegriff.
Der sogenannte erweitere Kunstbegriff markiert die talentfreie Zone oder das flache Gewässer der ästhetischen Plattfische.
„Jeder ist ein Künstler“ – das könnte euch so passen.
Hinweis
Auf dieser Website finden Sie Auszüge der Künstlerbiografie „Georg Esser – Leben und Werk“ (2018) von Dr. Annette Esser und Prof. Charlotte Esser (Hg.). Das vollständige Werk mit allen Texten und Bildern inklusive Werkverzeichnis können Sie bequem per E-Mail als Hardcover-Ausgabe oder als PDF bestellen.