Kunsthistorisch betrachtet, kann das Werk von Georg Esser (*1928) in die sogenannte Kunst nach 1945 verortet werden. Dieser Ausdruck stellt allerdings eine rein historisch-politische Einordnung dar und signalisiert damit bereits den Verzicht auf jegliche stilistische Bezeichnung all der diversen und auch kontroversen Kunstrichtungen, die darunter summiert werden können; und dieser Ausdruck umfasst so unterschiedliche Künstler wie Picasso, Pollack, Beuys, Warhol, Richter, Lüpertz, Sherman und andere internationale und deutsche Künstler und zunehmend auch Künstlerinnen. Im Grunde könnte man daher sagen, dass die Rede von „Kunst in Deutschland nach 1945“ ein Verlegenheitsbegriff ist, der vor allem dazu dient, den einschneidenden Kulturbruch und Neuanfang zu kennzeichnen, der mit der Jahreszahl 1945, d.h. mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland verbunden ist.
Stilistisch knüpft die Kunst nach 1945 an die klassische Moderne an, die sich seit dem Ende des 19. und vor allem seit Anfang des 20. Jahrhunderts in verschiedenen avantgardistischen Bewegungen und Stilrichtungen international entwickelt hatte. Die wichtigen Richtungen der Moderne aus der Zeit vor dem Krieg waren dabei Impressionismus, Jugendstil bzw. Art Nouveau, Futurismus, Fauvismus, Expressionismus, Kubismus, Dadaismus, Bauhaus, Surrealismus und Neue Sachlichkeit. Dazu kamen einzelne Künstler wie Vincent van Gogh, Paul Cézanne, Edvard Munch, Amadeo Modigliani oder Pablo Picasso, die sich diesen Ismen nicht eindeutig zuordnen ließen, die aber innerhalb der internationalen Kunstszene viel beachtet wurden. Bereits vor 1933, aber erst recht nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches, war im Blick auf die internationale Kunst die École de Paris tonangebend. Nach dem Krieg entwickelte sich anknüpfend an den philosophischen Existenzialismus (Camus, Sartre) in der französischen Avantgarde auch das Informel, d. h. eine gegenstandslose Malerei. Diese brachte in der Kunstszene in Nachkriegs-Deutschland die Kontroverse um den abstrakten Expressionismus versus einer gegenständliche Malerei auf, welche die Kunstdiskussion im Grunde bis zum Aufkommen von Pop-Art und Fluxus Mitte der 1960er-Jahre beherrschte. Für die Kontinuität der Kunst der Moderne standen insbesondere Künstler, die in der der Zeit des Dritten Reiches als „entartet“ galten, oder Künstler, die ihre Arbeit trotz verschiedenster schwieriger Lebensumstände weiter fortgesetzt hatten. In der einschlägigen kunsthistorischen Literatur fällt Folgendes auf: {…}
Kölner Künstlerszene der Nachkriegszeit
In dieser Zeit nach den materiellen und auch geistigen Verwüstungen des Nationalsozialismus herrschte ein regelrechter „Hunger nach Kultur“, und die Menschen strömten geradezu in Museen und Ausstellungen. Anlässlich des 150-jährigen Bestehens des Kölner Kunstvereins (1839-1989) erscheint ein Katalog, in dem es selbstbewusst heißt: „Ohne Zweifel, Köln ist heute Europas Zentrum moderner Kunst.“ Allerdings gilt es, eine Einschränkung zu machen. So ist Köln zwar als Metropole der „Bildenden Künstler im Land Nordrhein-Westfalen“ weitgehend bekannt und anerkannt worden, seit 1984 auch insbesondere durch die Art Cologne, die vor allem auf die Arbeit der Museen und Galerien zurückgeht. Zu bedeutenden Kölner Künstlern dieser Zeit zählen beispielsweise Gerhard Richter oder Sigmar Polke, die nach Köln zugezogen sind, sowie bildende Künstler, die in Köln studiert haben, wie Hans Burgeff, Hans Rolf Maria Koller oder auch Karl Marx. Ihre Arbeiten haben allerdings überregional und international nur wenig Beachtung gefunden. Dies gilt erst recht für viele Arbeiten von Künstlern, die den Mainstream der Kunstszene verlassen haben. Das freie künstlerische Werk dieser Künstlerinnen und Künstler ist bis heute kaum gesichtet und aufgearbeitet worden. {…}
Die Kölner Werkschule
Im Brennpunkt der Kölner Künstlerszene steht die Kölner Werkschule, deren Chronik von 1879 bis 1993 reicht. Sie wurde zunächst als Gewerbliche Fachschule der Stadt Köln im Geist des Werkbundes gegründet, der im Sinne des Jugendstils Kunst und Handwerk, im besten Sinne Kunstgewerbe und freie Kunst zusammenbringen wollte. Im April 1924 konnte die Kölner Kunstgewerbeschule unter dem Direktorat von Martin Elsässer das von ihm entworfene Rote Haus, einen expressionistischen, roten Backsteinbau in der Kölner Südstadt, beziehen. 1926 erhielt sie von Oberbürgermeister Konrad Adenauer die Bezeichnung “Kölner Werkschulen”. Während nach seinem Willen in Düsseldorf die Freie Kunst an der Akademie und die Angewandte Kunst an der Kunstgewerbeschule gelehrt wurde, sollte man an den Kölner Werkschulen das ganze Spektrum studieren können. {…}
Rückblickend bleibt zu würdigen, dass in der Zeit der Werkschule und der Fachhochschule von 1926- 1993 mehrere Generationen freier Künstler in Köln studiert bzw. als Professoren der Kunst dort gewirkt haben. Auch Georg Esser hat den Großteil der Künstler/innen, mit denen er zu tun hatte, im Kontext der Kölner Werkschule kennengelernt. Sein ehemals engster Künstlerfreund Karl Marx hat dort später von 1959-1993 Malerei gelehrt. Die 1987 politisch beschlossene Schließung hat die Entwicklung der freien Kunst in der traditionsreichsten rheinischen Metropole Köln nicht nur ihrer wichtigsten Ausbildungs-Institution beraubt, sondern hat auch die Kölner Kunstszene einer (weiteren) Provinzialisierung anheimgegeben. Diese ist sofort politisch beklagt worden, ihre Bedeutung beginnt aber gerade erst aufgearbeitet zu werden. {…}
Gründe für das Defizit der Kunstgeschichtsschreibung von 1945 bis 1960
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Hinweis
Auf dieser Website finden Sie Auszüge der Künstlerbiografie “Georg Esser – Leben und Werk” (2018) von Dr. Annette Esser und Prof. Charlotte Esser (Hg.). Das vollständige Werk mit allen Texten und Bildern inklusive Werkverzeichnis können Sie bequem per E-Mail als Hardcover-Ausgabe oder als PDF bestellen.